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NOVEMBER 2011

FLEXMEDIA-Zwischenworkshop "Neue Organisations- und Beschäftigungsstrategien im Spannungsfeld von interner und externer Flexibilisierung"

Im Rahmen des Profilschwerpunktes der Universität Duisburg Essen fand am 08. November 2011 der wissenschaftliche Zwischenworkshop des FLEXMEDIA-Projektes statt. Das Teilprojekt der UDE hatte hierzu verschiedene Projekte aus dem BMBF-ESF Förderschwerpunkt „Balance von Flexibilität und Stabilität in einer sich wandelnden Arbeitswelt” sowie internationale Wissenschaftler geladen. Ziel des Workshops war der wissenschaftliche Austausch zu neuen Strategien der Organisations- und Beschäftigungsflexibilisierung und zu deren Auswirkungen auf die Stabilität von Unternehmen und Beschäftigungsverhältnissen.

Nach der Begrüßung durch Prof. Ingo Schulz-Schäffer (Sprecher des Profilschwerpunktes) und Prof. Karen Shire (Institut für Soziologie, Universität Duisburg-Essen) hielt die renommierte Arbeits- und Organisationssoziologin PD Dr. Ursula Holtgrewe vom Forba Institut in Wien eine Keynote mit Fokus auf die Auswirkungen von organisationalen Restrukturierungsprozessen. Von besonderem Interesse war, wie sich im Zuge von Restrukturierungsmaßnahmen das Gefüge von Flexibilität und Stabilität verschiebt. Sie knüpfte dabei an das laufende Großverbundvorhaben „Work Organisation and Restructuring in the Knowledge Society” (WORKS) an, das im 6. Forschungsrahmenprogramm der EU gefördert wird. Der Beitrag zeigte, dass nicht immer Restrukturierungsmaßnahmen auch gleichzeitig die (organisationale) Flexibilität erhöhen. Vielfach sind andere Ziele damit verbunden, wie die Kostenreduktion, die Nähe zu Märkten und Kunden sowie der Zugang zu Wissen. Anforderungen an Flexibilität werden dabei entlang von Macht- u. Wertschöpfungspositionen weitergereicht. Ob strategisch angestrebt oder nicht intendiert, Restrukturierungsprozesse generieren stets auch eigene Flexibilisierungsanforderungen. Der Beitrag von Ursula Holtgrewe nahm nicht nur Formen der organisationalen Flexibilisierung in den Blick, sondern spannte den Bogen auch zu gesellschaftstheoretischen Aspekten und dem Wandel von Strukturmomenten im Zuge von gestiegenen Flexibilitätsanforderungen. In diesem Zusammenhang sprach sie in Anlehnung an Boltanksi und Chiapello von der Flexibilität als Legitimationsordnung für den „neuen Geist des Kapitalismus” und illustrierte dies anhand der wissensintensiven Dienstleistungsarbeit.

Foto Holtgrewe


Die wissensintensiven Dienstleistungen standen auch im Fokus des nachfolgenden Vortrages. Markus Tünte und Hannelore Mottweiler (Universität Duisburg-Essen, FLEXMEDIA-Projekt) nahmen mit der freien Mitarbeit ein zentrales Flexibilisierungsinstrument im Bereich der hochqualifizierten Arbeit in den Blick und stellten die Perspektive der gängigen Arbeitsmarkttheorien, welche diese Beschäftigungsform als ein klassisches Instrument der externen Flexibilisierung und häufig als äquivalent zur Zeitarbeit klassifizieren, in Frage. Anhand von multivariaten und qualitativen Analysen zeigte der Beitrag, dass freie Mitarbeiter über langfristige Bindungen zu Verlags- und Medienunternehmen verfügen und sich hinsichtlich ihrer Einbindung in organisationale Abläufe deutlich voneinander unterscheiden. So werden Alleinselbständige auch in Kernbereichen der Dienstleistungsproduktion, d.h. im Kundenkontakt oder zum Teil für Aufgaben mit Führungsverantwortung eingesetzt. Freie Mitarbeiter erwerben dabei wichtiges kunden- und organisationsspezifisches Kontextwissen, was zu einer Stabilisierung der Beschäftigungsbeziehungen zu den Unternehmen führen kann. Besonders in Verlagen, in denen die freie Mitarbeit intensiv genutzt wird, spielt jedoch auch die Kostenreduzierung und das Umgehen von tarifrechtlichen Regelungen eine wichtige Rolle. Diese Heterogenität der Alleinselbstständigkeit spricht allerdings gegen eine pauschale Zuordnung zu der Randbelegschaft, wie dies auch im Rahmen von aktuellen segmentationstheoretischen Ansätzen erfolgt. Die Bindungsstrukturen und die Integration von Freien in Kernbereiche der Dienstleistungsproduktion lassen den Schluss zu, dass diese Beschäftigungsform mehr als nur ein externes Instrument der Beschäftigungsflexibilisierung ist.(Zusammenfassung des Vortrags als PDF)

Foto Mottweiler


Gernot Mühge (IAQ, bops-Projekt) kritisierte in seinem Beitrag ebenfalls die gängige Unterscheidung von externen und internen Flexibilisierungsstrategien und richtete das Hauptaugenmerk vor allem auf die funktionalen Flexibilisierungskategorien (funktional-intern u. funktional-extern). Hierbei wurde argumentiert, dass das klassische Flexibilisierungsschema um zwei weitere Dimensionen zu ergänzen sei. Erstens ist für die Unterscheidung von Flexibilitätsinstrumenten aus einer betrieblichen Perspektive die Schwankungsdauer der Anpassungsmaßnahme entscheidend. Zentral ist der Gedanke, ob es sich um sehr kurzfristige Anpassungen oder etwa um Schwankungen handelt, die saisonale Zyklen oder gar eine dauerhafte Veränderung des Arbeitsaufkommens umfassen. Zweitens ist das Arbeitsvolumen entscheidend, da es ein zentraler Faktor für die Möglichkeit ist, dass sich Flexibilisierungsinstrumente gegenseitig ersetzen. Fällt z.B. bei einer Betriebsschließung das gesamte Arbeitsvolumen dauerhaft weg, sind betriebsbedingte Kündigungen unumgänglich und können über interne Anpassungsmaßnahmen nicht abgefangen werden. Gerade in diesen Fällen existiert eine Lücke, in der ein funktionales äquivalent zum Personalabbau fehlt. In der Diskussion um die Weiterentwicklung innovativer Flexibilisierungsinstrumente werden dabei häufig externe Flexibilisierungsstrategien außer Acht gelassen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass interne Flexibilisierungsstrategien mit einer vermeintlich „guten”, und externe Anpassungsinstrumente mit einer „schlechten” Flexibilisierung assoziiert werden.(Zusammenfassung des Vortrags von Gernot Mühge und des Kommentars von Matthias Dütsch als PDF)

Foto Muehge


Um neue bzw. überbetriebliche Organisationsformen, die ein anderes Schlaglicht auf Formen der Beschäftigungsflexibilisierung sowie die Stabilität von Beschäftigung werfen, ging es in dem Beitrag von Dr. Markus Hertwig und Johannes Kirsch (IAQ, FlexStrat-Projekt). Arbeitgeberzusammenschlüsse und die sogenannte „kollegiale Arbeitnehmerüberlassung” auf Basis von Tarifverträgen sind vergleichsweise neue personalwirtschaftliche Instrumente, die KMU auch in Zeiten des demographischen Wandels helfen können, qualifiziertes Personal zu rekrutieren und an sich zu binden. Die im Projekt untersuchten Flexibilisierungs-Netzwerke unterscheiden sich allerdings hinsichtlich ihres Aktivitätsgrades und Erfolges beim Erreichen der Flexibilisierungs- und Stabilitätsziele. In Anlehnung an die Strukturationstheorie von Anthony Giddens wurden in dem Vortrag diese empirischen Unterscheide theoretisiert. Hierbei wurde zwischen drei analytischen Ebenen differenziert, welche die unterschiedliche „Operationslogik” von Arbeitgeberzusammenschlüssen erklären sollen. Während die ersten Ebene (Wahrnehmungen und Deutungen) den „Interpretationsrahmen” umfasst, und Deutungen beinhalten kann, ob die Nutzung neuer Instrumente wie z.B. von Arbeitgebernetzwerken überhaupt sinnvoll ist, zielt die zweite Ebene (der Legitimation, Normen, Erwartungen) auf die Beurteilung von Flexibilisierungsstrategien etwa nach ihrer sozialen Ausgewogenheit und Effizienz. Die dritte Ebene (Herrschaft/Ressourcen) umfasst wiederum die Möglichkeit, Machtmittel und Ressourcen einsetzen zu können, um z.B. den Einsatz bestimmter (Flexibilisierungs-)Instrumente voranzutreiben oder auch zu verhindern.(Zusammenfassung des Vortrags als PDF)

Foto Hertwig


Im weiteren Verlauf des Workshops befassten sich die Beiträge vor allem mit dem Wandel von internen Arbeitsmärkten. Dr. Dorothea Voss-Dahm (IAQ, bops-Projekt) zielte in ihrem Beitrag auf die Ursachen der geschlechterdiskriminierenden Verteilung von Führungspositionen im Einzelhandel. Ausgangspunkt des bops-Projekts war die Analyse von formellen und informellen Regeln bei der Besetzung von Statuspositionen in internen Arbeitsmärkten. Hierbei war von besonderem Interesse, inwiefern sich in Aufstiegsketten das Tätigkeits- bzw. Anforderungsprofil ändert, welche Bedeutung Seniorität und Berufserfahrung hat, inwieweit formale Bildungsabschlüsse für den Aufstieg eine Rolle spielen und welche Erfahrungen (junge) weibliche sowie männliche Beschäftigte auf ihren Aufstiegs- und Karrierewegen machen. Die Analysen zeigen, dass mit dem Familien- und Wettbewerbsmodell mindestens zwei betriebliche Beschäftigungssysteme zu unterscheiden sind. Beide Modelle sind, was die Zuweisung auf Führungspositionen betrifft, nicht geschlechtsneutral, allerdings auf eine unterschiedliche Art und Weise. Im Familienmodell prägen traditionelle Rollenbilder die Strukturen im Betrieb. Frauen werden in erster Linie die operativen Tätigkeiten in den Unternehmensprozessen und nicht die planerische und formelle Verantwortung zugewiesen. Der Ausschluss von Frauen auf Führungspositionen erfolgt vor allem durch zeitlich und räumlich entgrenzte Verfügbarkeitsbedingungen. Im Wettbewerbsmodell spielen das Alter und Geschlecht bei der Besetzung von Führungspostionen demgegenüber eine untergeordnete Rolle. Allerdings wird eine Outputorientierung erwartet, die einen traditionell männlichen Entwurf der Erwerbsbiographie nahelegt. In beiden Regelsystemen für Aufstiegswege in internen Arbeitsmärkten wird damit eine Balance von Produktion und Reproduktion/Regeneration ausgeblendet.(Zusammenfassung des Vortrags als PDF)

Foto Voss-Dahm


Dr. Erich Latniak (IAQ, stradewari-Projekt) betrachtete in seinem Vortrag die konzeptionelle Diskussion über den Wandel von Produktionsmodellen in Deutschland. Seit den 90er Jahren entwickelte sich das Modell einer „diversifizierten Qualitätsproduktion” zu einem Leitbild, das durch die weitergehende übernahme von „Lean”-Konzepten aus dem Toyota-Produktionsmodell bestimmt, sowie auf schlanke Organisationsstrukturen und auf maximale Wertschöpfung ausgerichtet ist. Aktuelle Konzepte wie z.B. die „ganzheitlichen Produktionssysteme” setzen für diesen ökonomischen Erfolg auf ausreichend und langfristig verfügbare Beschäftigte, die fachlich hoch qualifiziert sind und in unterschiedlichen standardisierten Aufgaben- und Tätigkeitsfeldern eingesetzt werden. Gerade durch die „verschlankten” Ressourcen und fehlendem organisationalen Puffer, führen die in vielen Unternehmen umgesetzten Organisations- und Arbeitskonzepte zu Spannungsfeldern. Diese haben negative Auswirkungen auf die zukünftige Innovationsfähigkeit, sowie den Erhalt und die Weiterentwicklung der Fachkompetenz von Beschäftigten, insbesondere in hochautomatisierten Systemen.(Zusammenfassung des Vortrags als PDF)

Foto Latniak


Abgerundet wurde der Workshop durch einen weiteren Beitrag aus dem FLEXMEDIA-Projekt. Dr. Joachim Hafkesbrink (Rhein-Ruhr-Institut für angewandte Systeminnovationen e.V.) nahm neue Formen der Kompetenzentwicklung in den Blick, die insbesondere durch die zunehmende Digitalisierung für Organisationen und Beschäftigte entstehen. Im Vortrag wurde in diesem Zusammenhang das Modell der Ambidextrie (Beidhändigkeit) vorgestellt, dass die Fähigkeit von Organisationen umfasst, neue Ressourcen und Potenziale zu entwickeln (Ressourcenexploration), und gleichzeitig auch diese Potenziale zu verwerten (Ressourcenexploitation). Hierbei kommen sowohl Flexibilitäts- als auch Stabilitätserfordernisse ins Spiel: Einerseits benötigen Organisationen Flexibilitätsspielräume zur Förderung von Invention und Innovation und andererseits stabile Strukturen im Sinne von organisationalen Routinen, um Geschäftsprozesse effizient abzuwickeln. Für Unternehmen, die in besonders turbulenten und diskontinuierlichen Umwelten operieren, wie dies z.B. bei Verlagen in der gegenwärtigen Umbruchphase der Fall ist, kann sich diese Balance deutlich verschieben. Das heißt, in dem Maße, wie sich die Unternehmensumwelt ändert, müssen Unternehmen in der Lage sein, von eingeübten Routinen der Ressourcenverwertung deutlicher zugunsten heuristisch ausgerichteter Ressourcenexploration umschwenken, mit dem Ziel neue Potenziale und (Geschäfts-) Möglichkeiten zu schaffen. Konkret auf die Verlagsindustrie gemünzt bedeutet dies, dass in KMU-Verlagen vermehrt organisationale und individuelle Kompetenzen aufgebaut werden müssen, die eine bessere Wissensabsorption zur Schaffung neuer Ressourcen und eine verbesserte Wissensverwertung zur Umsetzung neuen Wissens erlauben.(Zusammenfassung des Vortrags als PDF)

Foto Hafkesbrink


Das Programm des Workshops ist hier verfügbar, außerdem besteht hier die Möglichkeit, die ausführlicheren Zusammenfassungen der Vorträge gebündelt einzusehen.

SEPTEMBER 2011

FLEXMEDIA auf der GeNeMe-Tagung in Dresden: Am 7. und 8. September 2011 fand in Dresden die GeNeMe-Tagung statt, auf der auch das FLEXMEDIA-Projekt vertreten war. Präsentiert von Markus Tünte wurde der in Zusammenarbeit mit Hannelore Mottweiler, Nicole Hermann und Dženefa Kulenović entstandene Beitrag "Die Verlagsindustrie im Innovationsdilemma: Die Suche nach Bewältigungsstrategien in Zeiten des Umbruchs".

JUNI 2011

FLEXMEDIA auf der SASE-Konferenz in Madrid: Vom 23.-25. Juni 2011 fand in Madrid die 23. SASE-Konferenz statt, auf der auch das FLEXMEDIA-Projekt vertreten war. Unter dem Titel "Post Fordist Industries and Flexible Employment: A Comparative Analysis of their Interrelations" wurden von Markus Tünte und Birgit Apitzsch unter anderem Ergebnisse zu Beschäftigungsstrategien der Verlagsindustrie präsentiert.

NOVEMBER 2010

FLEXMEDIA - Praktiker-Workshop lud zum Diskutieren ein

Am 8. November 2010 fand der erste Praktiker-Workshop des Verbundprojektes FLEXMEDIA - Innovationen in der Verlags- und Medienwirtschaft erfolgreich umsetzten - statt. Die Universität Duisburg-Essen und das Rhein-Ruhr Institut für angewandte Systeminnovation (RIAS) e.V. hatten hierzu Unternehmensvertreter aus verschiedenen Verlagssegmenten (Zeitung, Buch, Zeitschriften) eingeladen. Internationales Publikum war auch vertreten. Der Unternehmensberater und Experte im Bereich (digitale) Medien und Marketing, Lex Bergers, ist mit seinen Kollegen Peter Tegel und Frank den Hartog aus dem Dienstencentrum in den Niederlanden angereist, um über die derzeitige Situation der Verlagsbranche in den Niederlanden zu referieren.

Bild Auditorium


Neben der Präsentation bisheriger Projektergebnisse bestand die Zielsetzung des Workshops darin, Praktikern aus der Branche eine Plattform für den gegenseitigen Austausch von Strategien und Erfahrungen zu bieten.

Nach der Begrüßung durch Prof. Karen Shire (Institut für Soziologie, Universität Duisburg-Essen) umriss Dr. Joachim Hafkesbrink (Geschäftsführender Vorstand des RIAS) Ziele und Aufgaben von FLEXMEDIA. Bedingt durch die stetig steigenden Anforderungen, die der Wandel von analoger zu digitaler Welt - dem so genannten Offline-Online-Shift - mit sich bringt, sind die Verlags- und Medienhäuser dazu angehalten geeignete Flexibilisierungsstrategien zu verfolgen. Da sich die Verlagsbranche aber größtenteils „wie ein Kaninchen vor der Schlange” verhält, muss zunächst „eine Veränderung im Kopf” stattfinden, damit Innovationsbarrieren abgebaut werden. Zur Unterstützung und Begleitung dieses Prozesses wird, im Rahmen des Projektes, eine interaktive Toolbox erzeugt. Sie wird den Verlags- und Medienhäusern als Guideline dienen, um Innovations- und Flexibilisierungsstrategien zu entwickeln.

Bild Hafkesbrink


Mit dem Einstieg „Publishing is dead — long live Publishing” stellte Lex Bergers die Zukunft der Verlagsindustrie in Frage. Als wichtigste Themen für die Zukunft der Branche stellte er Mobile Publishing und Social Media heraus. Zudem betonte er wie wichtig es sei, den Kunden in den Mittelpunkt der digitalen Produktentwicklung zu stellen („The key is the target audience!”).

Bild Bergers


Die Universität Duisburg-Essen und das Rhein-Ruhr Institut für angewandte Systeminnovation (RIAS) e.V. stellten erste Forschungsergebnisse aus qualitativen Betriebsfallstudien sowie einer hochaktuellen repräsentativen Unternehmensumfrage vor, die in deutschen Medien- und Verlagshäusern durchgeführt wurden. Demnach werden Trends von der Branche nur teilweise erkannt und äußerst zögerlich - wenn überhaupt - angegangen. Zwar nutzen 66% der 263 befragten Verlagshäuser das Internet bereits als Rückkanal, um Kundenmeinungen einzuholen, aber auf den Interaktionswunsch der Kunden sowie auf die Relevanz von Social Media, wie z.B. Facebook und Twitter, wird noch kaum eingegangen. Mobile Angebote werden bislang nur von 10% in Angriff genommen, aber ein Viertel der Befragten glauben an iPad und Co. — sie integrieren bereits neueste Technologien, um Angebote für Endgeräte wie iPhone und iPad zu erstellen. Hinsichtlich der Beschäftigungsstrategien geht sowohl aus den Betriebsfallstudien und der deutschlandweiten Umfrage hervor, dass auch in Unternehmen, in denen die Neuen Medien eine größere Rolle spielen, keine radikale Abkehr bisher etablierter Beschäftigungsstrategien zu erkennen ist. Nach wie vor sind die unbefristete (Vollzeit-)Beschäftigung und die „Freie” Mitarbeit die zentralen Beschäftigungssäulen in der Verlagsindustrie. Wenn auch die „Freie” Mitarbeit in der Verlagswirtschaft eine wesentliche Flexibilitätsressource ist, so haben diese Beschäftigten in der Regel langjährige und stetig wiederkehrende Geschäftsbeziehungen zu den Verlagen. Atypische Beschäftigungsformen wie Minijobs, aber vor allem die Leiharbeit spielen derzeit und nach Einschätzung der Befragten auch zukünftig keine Rolle. Es zeigt sich damit, dass eine stärkere Flexibilisierung nicht zwangsläufig zu einer verstärkten Destabilisierung von Beschäftigung führt.

Bild Tuente


Der Nachmittag bot den Praxispartnern Gelegenheit ihre Strategien, Pläne aber auch ihre Schwierigkeiten auf dem Weg zur Umsetzung digitaler Angebote darzustellen.

Den Anfang machte Claus Bachem, Geschäftsführer eines regionalen Buchverlags in Köln. Seiner Ansicht nach stellt das Internet eine Chance für spezialisierte Buchverlage dar, denn durch Google sind diese für potenzielle Kunden leichter auffindbar als zuvor. Daher muss ein Umfeld geschaffen werden, für das sich der Endkunde bzw. der Anzeigenkunde interessiert. Ähnlich wie sein Vorredner Lex Bergers, sieht Bachem großes Potenzial im Bereich Mobile Publishing. Daher wird sich der Bachem Verlag „mit überschaubaren Mitteln im Mobile Publishing engagieren” und auch Trends, wie Location Based Services und Augmented Reality, gegenüber nicht unaufgeschlossen entgegentreten.

Bild Bachem


Mit Klaus Rieping, dem Geschäftsführer eines mittelständischen Zeitungsverlags aus dem Münsterland, referierte der nächste Praxisvertreter über die Herausforderungen seines Branchensegments. Dass die Auflagen und Werbeerlöse des gedruckten Mediums sinken ist kein Geheimnis - es ist Realität und demnach ein Grund zum Handeln. Daher geht bei der ivz.medien GmbH die lokale Zeitung auf Sendung. Um das örtliche Geschehen aus Ibbenbüren und Umgebung auch durch Bewegtbild wiederzugeben, wurde mit mazzTV eine IPTV-Plattform geschaffen, die die Internet-Nutzer mit Videos zu regionalen Themen versorgt. Das Bewegtbildprojekt ist derzeitig noch nicht abgeschlossen, aber es ist für Rieping spannend sich auf neues Terrain zu begeben und mit crossmedialem Einsatz mutig in die Zukunft zu schreiten.

Bild Rieping
Die Präsentation von Herrn Rieping ist hier einsehbar.

Dr. Edmund Labonté rundete die Praktiker-Präsentation ab, indem er einen Einblick ins Kulturmarketing in schwierigen Zeiten gewährte. Labonté ist Geschäftsführer der LKO Verlagsgesellschaft GmbH in Köln und rief gemeinsam mit zwei Geschäftspartnern die litCologne, Europas größtes Literaturfestival, ins Leben. Gemäß dem Titel „Enthusiasmus vs. Business Modell” schildert Labonté ansehnlich seine Erfahrungen, die er als Dienstleister für große Verlage, z.B. für Kalender-Großprojekte, als auch als Gründer der litCologne sammelte. Ganz nach dem Motto „Gib der Literatur den roten Teppich” setzte Labonté seine, aus reinem Enthusiasmus verfolgte, Idee eines Literaturfestivals um und bemängelte das geringe Selbstbewusstsein der Branche.


Der Praktiker-Workshop wurde durch eine spannende Diskussionsrunde, in der spezifische Strategien für kleine und mittelständische Verlage erörtert wurden, abgeschlossen. Auf die Frage, ob das Buch nun ausstirbt antwortete Dr. Edmund Labonté, dass keiner wisse, was passieren wird, aber er sei der Meinung, dass jede Bewegung auch eine Gegenbewegung mit sich bringt. Und man solle beachten, dass das Buch bereits im Jahr 1997, auf der Buchmesse, totgesagt worden ist — man nahm an, dass es von der CD-Rom verdrängt werden würde. Claus Bachem äußerte, dass je nach Sorte der Bücher differenziert werden müsse, denn Tablet-PCs, wie das iPad, sind dem Buch nachempfunden und können somit Lücken schließen. Allerdings sind sich alle Beteiligten einig, dass es für das Zeitungssegment wesentlich schwerer werden wird, sich auf dem Markt zu behaupten. Klaus Rieping geht davon aus, dass die Zeitung sich zu einem Premium-Produkt entwickeln wird, aber auf lange Sicht gesehen wird die Zeitung aussterben, wenn keine passenden Geschäftsmodelle gefunden werden. Die Diskussion befasste sich im weiteren Verlauf mit den Themen Generationswechsel, der Rolle von nutzergenerierten Inhalten (User Generated Content), der Entwicklung von Beschäftigung und Arbeitsbedingungen sowie überbetrieblichen Kooperationsstrategien. Gerade was die Zusammenarbeit mit anderen Verlagen betrifft, sehen die Unternehmensvertreter hohen Handlungsbedarf, da Unternehmen bisher oft nur die Konkurrenzsituation und nicht die Kooperationsmöglichkeiten im Blick haben.

Bild Diskussionsrunde


Weitere Informationen zum Praktiker-Workshop finden Sie außerdem auf den Seiten sowie im aktuellen Newsletter des Projektträgers.
Die Informationen sind zudem im Bereich Outputs dieser Homepage abrufbar.